Oktober 2021

Politik überzeugen, Entscheidungen herbeiführen

Wie man mit Entscheidungsvorlagen im Kommunalen Bildungsmanagement Erfolge erzielt

Politische Beschlüsse sind essenziell für die Arbeit in der Verwaltung, sie in gewünschter Form zu erhalten, eine hohe Kunst. Berndt Weiße, ehemaliger Dezernent für Jugend, Kultur und Soziales und seit 2019 Bildungskoordinator in der Stadt Cottbus, hat uns im Interview verraten, wie es gut gelingen kann, politische Entscheidungen mit Entscheidungsvorlagen herbeizuführen.

Kommunale Fach- und Leitungskräfte, die mit dem datenbasierten Bildungsmanagement befasst sind, müssen an entscheidenden Stellen Beschlüsse aus der Politik herbeiführen. Die Entscheidungsvorlage ist dazu ein etabliertes Handwerkszeug der Verwaltung, mit der ein stabiler Rückhalt für die eigene Arbeit organisiert werden kann. Entscheidungsvorlagen erleichtern es den Entscheidungsträgern, die Bedeutung der Maßnahmen nachzuvollziehen und die Wirkungen abzuschätzen.

Für überzeugende passgenaue Vorlagen und eine breite Unterstützung gilt es, einige Schritte in der Vorbereitung und bei der Erstellung zu beachten und die richtigen Akteure einzubeziehen.

  • Transferagentur Brandenburg: Herr Weiße, Sie empfehlen Ihren Kolleg*innen in den Bildungsbüros, das Instrument der Entscheidungsvorlage einzusetzen. Warum?

Berndt Weiße: Entscheidungsvorlagen sind in mehrfacher Hinsicht zielführend: Sie sind zum einen dazu da, Maßnahmen in die Umsetzung zu bringen. Dadurch können die Mitarbeiter*innen aus Bildungsmanagement und -monitoring ihrer Verantwortung und ihrem Auftrag gerecht werden, die Bildungslandschaft vor Ort weiterzuentwickeln. Gleichzeitig können die Mitarbeiter*innen des Bildungsbüros ihr umfangreiches Prozess- und Fachwissen einbringen und werden öffentlich sichtbar, was ihrer Arbeit und ihrer Vernetzung schließlich zu Gute kommt. Wenn sie regelmäßig Maßnahmen durch Entscheidungsvorlagen in die Umsetzung bringen, werden die Themen Bildung und Bildungssteuerung für Entscheidungsträger*innen in der Verwaltung sichtbarer und bedeutsamer – und wenn Erfolge sichtbar werden, zeigt sich auch die Verbindlichkeit des Bildungsbüros.

  • Was gehört in eine gute Entscheidungsvorlage hinein?

Eine Entscheidungsvorlage ist dann gut, wenn sie den Nerv trifft – das bedeutet, wenn sie den*die Leser*in bei dem Wissensstand abholt, wo er*sie geradesteht. Es hat sich bewährt, zwei unterschiedliche Vorlagen zu verfassen: Eine für die Dienstberatung der Verwaltungsspitze, eine für den Beschluss im Kreistag oder in der Stadtverordnetenversammlung. Man sollte sich also bewusst machen, welche Informationen die jeweils angesprochene Ebene für eine Entscheidung benötigt.

Generell ist es geboten, sich kurz zu fassen. Besonders für die Verwaltungsspitze gilt, dass man direkt mit der Tür ins Haus fallen kann. Hier ist in der Regel keine Grundargumentation notwendig, es sollte nicht weit ausgeholt werden und vor allem keine rechtlichen Grundlagen zitiert werden. Man sollte nicht agitieren, warum die Vorlage nötig ist, sondern knapp und klar das Problem darstellen, das mit der Entscheidungsvorlage gelöst werden soll. Bei uns in Cottbus sind zwei Seiten für die Entscheidungsvorlage vorgesehen, und wir sagen immer: Wer sein Problem und den Lösungsvorschlag nicht auf zwei Seiten schildern kann, hat kein Problem!

Um den Beschluss im Kreistag oder in der Stadtverordnetenversammlung vorzubereiten, darf man sich ruhig länger fassen, denn viele der ehrenamtlichen Abgeordneten sind mit den Details der Verwaltung und speziellen Bildungsfragen nicht umfassend vertraut, sind aber durch Empfehlungen der Fachausschüsse bereits vorbereitet.

Die Kommunen haben in der Regel bereits Formulare für Vorlagen etabliert, die genutzt werden müssen.  Folgende Gliederung hat sich dabei bewährt:

  1. Problembeschreibung
  2. Ziel der Vorlage
  3. Lösungsvorschlag
  4. Anführen von Alternativen
  5. Darstellung der Kosten

Bei der Beschreibung der Alternativen kann der*die Verfasser*in selbstbewusst verdeutlichen, dass der Vorschlag im Prinzip alternativlos ist, bzw. welche Kosten und weitere Folgen, etwa eine Abwanderung von Fachkräften, die Alternativen verursachen würden.

Grundsätzlich wichtig ist, dass die Argumentation der Entscheidungsvorlage der Förderlogik im kommunalen Bildungsmanagement folgt, damit sich für die Entscheider*innen ein schlüssiges Bild ergibt.

  • Wie erkennt man, dass sich ein Anliegen für eine Entscheidungsvorlage eignet?

Grundsätzlich werden Entscheidungsvorlagen – und schließlich politische Entscheidungen – dann nötig, wenn die zu beschließende Maßnahme außerhalb der Pflichtaufgaben der Kommune stattfindet, nicht bereits durch Grundsatzbeschlüsse geregelt ist oder bereits etablierte Routineaufgabe ist. Rein verwaltungsinterne Maßnahmen bedürfen also meist keiner Entscheidungsvorlagen, ebenso wenig wie das, was bereits durch den Haushaltsplan geregelt ist.

Wenn aber über Tätigkeiten entschieden werden soll, die nicht zu den pflichtigen Aufgaben zählen, sind Entscheidungsvorlagen durchaus sinnvoll, besonders, wenn der Beschluss mit Kosten verbunden ist.

Viele Anliegen lassen sich auch auf dem „kleinen Dienstweg“ auf Mitarbeiter*innen-Ebene klären. Das Mittel einer Beschlussvorlage sollte mit Bedacht eingesetzt werden und dann auch nur, wenn es für die Zielerreichung unabdingbar ist.

  • Wer muss in die Erstellung mit eingebunden werden? Wie ist der Ablauf?

Zunächst sollte geprüft werden, ob das Anliegen sich für eine Entscheidungsvorlage eignet und somit eine Entscheidung auf politischer Ebene nötig ist. Wichtige Kriterien habe ich bereits genannt. Dann ist es wichtig, die Etikette der Verwaltung einzuhalten und die Hierarchien entsprechend zu beachten. Zuerst sollte mit der*dem direkten Vorgesetzten gesprochen werden.

In meiner Erfahrung hat sich gezeigt, dass eine – wie ich sie nenne – „Meckervorlage“ zur Vorlage bei dem*der Vorgesetzten sinnvoll ist. Die Meckervorlage beschreibt das Problem, das eine Lösung erfordert, und skizziert erste Lösungsvorschläge. Sie schafft einen Diskussionsanlass im Team und mit der Leitung, gemeinsam kann dann die Argumentation und der Inhalt einer Entscheidungsvorlage geformt werden. Dass die Vorgesetzten das Anliegen für die Entscheidungsvorlage befürworten, ist elementar und bildet einen Grundstein für die Erfolgsaussichten.

Wenn die Vorlage in Abstimmung mit den notwendigen Leitungsebenen formuliert ist, kann der Durchlauf durch die Ämter beginnen, die von der zu beschließenden Maßnahme betroffen sind. Manche Landrät*innen oder Oberbürgermeister*innen möchten bei bereichsübergreifenden Abstimmungsprozessen vorab informiert werden, das sollte man beachten. In den Ämtern werden Stellungnahmen formuliert und gesammelt. Diese Beteiligung kann durchaus digital erfolgen, ich habe aber gute Erfahrungen damit gemacht, die beteiligten Leiter*innen und Sachbearbeiter*innen an den berühmten runden Tisch einzuladen und alle Kritiken und Anregungen in einem gemeinsamen Protokoll zu erfassen. Oft sind die Beteiligten dafür dankbar, denn es spart Zeit. Anhand der Stellungnahmen kann die Vorlage gegebenenfalls novelliert werden. Nun ist die Entscheidungsvorlage fertig und durch Stellungnahmen der Ämter (oder dem gemeinsamen Protokoll der Abstimmung) im Anhang hat die Verwaltungsspitze alle wichtigen Argumente vorliegen und kann leicht eine Entscheidung fällen oder dem Kreistag die Vorlage zur Befassung empfehlen.

  • Wieviel Zeit sollte für den Ablauf eingeplant werden?

Aus meiner Sicht hat sich bewährt, die Vorlage zwei Wochen vor dem Beratungstermin in der Verwaltungsspitze in die Dienstberatung des eigenen Fachbereiches einzubringen, damit eventuell inhaltliche Korrekturen vorgenommen werden können.  Spätestens eine Woche vor der dem Sitzungstermin sollte die Entscheidungsvorlage den Entscheider*innen final vorliegen. Es ist wirklich wichtig, alles zu geben: Die Verwaltungsspitze ist wöchentlich mit einer Vielzahl von Entscheidungsvorlagen konfrontiert, man sollte also unbedingt auf den Punkt genau argumentieren.

  • Was kann begleitend für den Erfolg der Vorlage getan werden?

Die Entscheidungsvorlage ist nur ein Teil des Gesamtgefüges. Die kommunale Bildungssteuerung lebt von den Netzwerken, die die Mitarbeiter*innen in der Verwaltung aufbauen. Ein gewisser Bekanntheitsgrad ist wesentlich für den Erfolg, denn so kann das Bildungsbüro direkt auf Kolleg*innen anderer Ressorts zugehen und den Dienstweg verkürzen.

Hilfreich ist es auf jeden Fall, regelmäßig in Gremien und Ausschüssen zu berichten. Das schafft Aufmerksamkeit und weckt das Interesse der Öffentlichkeit. Es braucht nicht immer ein großer Bericht zu sein. Die Regelmäßigkeit an sich machen das Bildungsbüro und die eingebrachten Belange schon sichtbar.

Auch wichtig ist, dass man selbst die Initiative ergreift und Dinge auf den Weg bringt. Es reicht nicht, nur fleißig, pflichtbewusst und in guter Qualität die eigenen Aufgaben abzuarbeiten. Es braucht Bereitschaft und Mut, Neues entstehen zu lassen.

Weiterhelfen kann auch der direkte Kontakt zu politischen Mandatsträger*innen, um Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Die Abgeordneten sind auf Informationen und Daten aus der Verwaltung angewiesen und an einem guten Austausch interessiert. So können Anregungen zu Beschluss- und Beratungsthemen auch von den Abgeordneten gegeben werden, die dann in den Kreistag oder die Stadtverordnetenversammlung von der Verwaltung eingebracht werden.

Wenn dann eine Entscheidungsvorlage die Mehrheit im Kreistag oder in der Stadtverordnetenversammlung gefunden hat, ergibt sich daraus neben der Verbindlichkeit für die Fortsetzung der eigenen Arbeit auch die Möglichkeit zur Nachhaltung der Ergebnisse.

Dem Bildungsbüro kann doch nichts besseres passieren, als für seine wichtigen Themen immer wieder eine öffentliche Plattform vorzufinden.

  • Herr Weiße, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!