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Aus der Praxis

Bildungsbrücken bauen: Die Doppelstadt Frankfurt (Oder)–Słubice gestaltet grenzüberschreitendes Miteinander

Im Gespräch mit dem Bildungsbüro im Frankfurt-Słubicer Kooperationszentrum

20.11.23

Der Begriff der Doppelstadt ist für die Kolleg*innen des Bildungsbüros Frankfurt/Słubice Programm. Ihre Zusammenarbeit mit Institutionen und freier Szene ist grenzüberschreitend – genau wie ihre Visionen. Was das mit Kultureller Bildung und Europa zu tun hat, kann man hier wie im Labor beobachten.

Von Hannah Fröhlich

„Nur eine kleine Minderheit von Menschen lebt auf beiden Seiten und hat noch nie die Grenze überquert“ – Sören Bollmann, Leiter des Bildungsbüros im Frankfurt-Słubicer Kooperationszentrum, beschreibt Frankfurt (Oder) mit der angrenzenden polnischen Stadt Słubice als ein Brennglas der europäischen Zusammenarbeit. Während der ersten Zukunftskonferenz 2009, die vom Kooperationszentrum initiiert wurde, fiel der Begriff der Doppelstadt zum ersten Mal. Zweihundert Menschen aus beiden Städten kamen damals zusammen, um für drei Tage in einem Raum Visionen für die Zukunft der Doppelstadt zu entwickeln, so Sören Bollmann. Die Visionen wurden daraufhin zum Programm – unter anderem mit dem Fokus auf Kulturelle Bildung. Denn seit Dezember 2022 befindet sich Frankfurt (Oder) als Bildungskommune mit Kultureller Bildung als einem von drei Schwerpunkten in der Auftaktphase des neuen Projekts. Der Name dafür ist passend zur durch die Oder getrennten Doppelstadt gewählt: „Bildungsbrücken bauen“.

Kreativität ist eine der Schlüsselkompetenzen, die wir für die Zukunft brauchen.

Natalia Majchrzak, Bildungsbüro im Kooperationszentrum Frankfurt (Oder)-Słubice

Kreativität als Schlüsselkompetenz für die Zukunft

„Kulturelle Bildung war der erste Schwerpunkt, bei dem wir uns auf Anhieb einig waren“, erzählt Natalia Majchrzak vom Bildungsmonitoring des Büros. Worin sehen Sie die Potenziale Kultureller Bildung in einer Stadt, die nicht nur vom demografischen Wandel, sondern auch von einer hohen Kinderarmut geprägt ist? Für Natalia Majchrzak ist klar, dass Kulturelle Bildung ein Werkzeug ist, um Kreativität zu fördern und weiterzuentwickeln. „Kreativität ist eine der Schlüsselkompetenzen, die wir für die Zukunft brauchen“, ist sie überzeugt. Die Idee Kultureller Bildung, die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen auch im außerschulischen Kontext in den Mittelpunkt rückt, ist dort umso gefragter, wo es im Rahmen der formellen Bildung noch scheitert, Bildungsungerechtigkeiten wirksam zu reduzieren. Generationenübergreifende Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen wiederum schließt Menschen mit ein, die aus ihrem Erwerbsleben ausgeschieden sind, aber weiterhin einen fundamentalen Teil des sozialen Gefüges darstellen.

Auf dem Weg zu einer bunten und bewussten Stadt

Dass Kulturelle Bildung aber mehr ist als die rein inhaltliche Vermittlung im künstlerischen Bereich oder die Teilnahme an Theatervorführungen und Workshops, möchte Natalia Majchrzak hierbei betonen. Interkulturalität ist für sie ein wichtiges Stichwort: Dass Menschen mit verschiedensten kulturellen Hintergründen die Kompetenz entwickeln, ein Miteinander zu gestalten – auch das sei Kulturelle Bildung. Aneta Szczesniewicz, Zuständige für die Schwerpunkte Kulturelle und Politische Bildung des Bildungsbüros, erzählt aus Erfahrung, dass Kulturelle Bildung auch die Möglichkeit dafür bietet, mit Menschen auf vielseitige Art zu kommunizieren. „Das sehen wir bei Kindern – die brauchen auch keine richtige Sprache, die wollen kommunizieren und entwickeln sich vor allem durch die Zusammenarbeit in der Gruppe.“ Die Doppelstadt soll offen sein für alle, das heißt, Kindern und Jugendlichen, aber auch allen weiteren Generationen Räume und Anlässe für aktive Mitgestaltung eröffnen. Der Aufgabe, die kommunale Bildungslandschaft mit Kultureller Bildung zu gestalten und auch neue Kooperationsmodelle zu erproben, stellt sich das Bildungsbüro mit viel Engagement. In Zusammenarbeit mit Behörden, Schulen, einzelnen Lehrkräften, aber auch mit Kultureinrichtungen, freien Künstler*innen und insbesondere mit der Zivilgesellschaft beider Städte sollen die Weichen für die notwendigen Entwicklungsprozesse gestellt werden. „Wir wollen eine wirklich bunte und bewusste Stadt aufbauen“, so Aneta Szczesniewicz.

Drei Gremien für alle Akteure

Wie diese Zusammenarbeit im Alltag konkret aussieht, darauf geht Sören Bollmann ein: Drei Gremien habe das Kooperationszentrum im Rahmen des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements aufgebaut. Zum einen die „Frankfurt-Słubicer Steuerungsgruppe Bildung“, die sich drei- bis viermal im Jahr trifft. Hier sind alle Bereiche der Verwaltung der beiden Städte und vom Landkreis Słubice repräsentiert, die sich mit Bildung beschäftigen – sei es schulisch oder außerschulisch. Dann gibt es den Bildungsbeirat, der ebenfalls grenzüberschreitend aufgestellt ist, bei dem aber auch Bildungsakteure außerhalb der Verwaltung repräsentiert sind. Hier kommen Wirtschaftskammer, Universität, Vertreter*innen verschiedener Schulformen und Kitas sowie anderer Einrichtungen zusammen.  Zuletzt gibt es noch das Frankfurt-Słubicer-Bildungsforum, das partizipativ gedacht und für alle offen ist: In Plenum und Workshops können sich Akteur*innen der Bildung austauschen, ausprobieren und diskutieren. Es geht dabei um aktuelle und häufig auch über den aktuellen Tag hinausgehende zukunftsorientierte Bildungs- und Kulturthemen sowie um grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Beim Bildungsforum 2024 wird der Schwerpunkt auf Kultureller Bildung liegen. Abgesehen von den Gremien ist die Zusammenarbeit auch auf politischer Ebene und in den Verwaltungsspitzen eingebettet.

Weitere Schritte sind geplant. Im Rahmen des datenbasierten kommunalen Bildungsmanagements haben die Kolleg*innen im Bildungsbüro erkannt, wie viele Akteure es in Frankfurt (Oder) und Słubice im Bereich der Kulturellen Bildung bereits gibt. Es müsse zunächst also darum gehen, diese sichtbarer werden zu lassen und sie stärker miteinander zu vernetzen, damit sie auch nach außen hin zugänglicher sind. Über das Networking zwischen den Akteur*innen hinaus braucht es aber auch strategisch weiterentwickelte Konzepte und Leitbilder von Kultureller Bildung. Deswegen freuen sich die Kolleg*innen des Bildungsbüros, ein digitales Bildungsportal auf den Weg zu bringen, das nicht nur Angebote sichtbar macht, sondern auch als Mittel für stetige Vernetzung dient sowie konzeptionelle Grundlagen zur Verfügung stellen soll.

Ein Ort, wo man was bewegen kann

Nächstes Jahr jährt sich der EU-Beitritt Polens zum 20. Mal. Seitdem habe sich vieles bewegt, meint Sören Bollmann. Er selbst ist vor 23 Jahren nach Frankfurt (Oder) gezogen. „Wenn man damals über Polen geredet hat, hatte man das Gefühl, man redet über einen fremden Planeten.“ Bei vielen Menschen habe es Neugier gegeben, aber wenig Wissen. „Ich übertreibe ein wenig, aber Polen war gefühlt so weit weg wie Wladiwostok, wie Sibirien. Und ich denke, da hat sich eine Menge getan“. Frankfurt (Oder) sei inzwischen auch ein Ort, an dem man was bewegen kann, und zwar, wie er sagt, „viel mehr als in Berlin“.

Wenn es uns gelingt, noch ein paar Barrieren aus dem Weg zu räumen, werden mehr, auch junge Menschen und Familien kommen und hier etwas dazu beitragen, dass diese Städte wie ein liebenswertes kleines internationales Europa werden.

Sören Bollmann, Leiter des Bildungsbüros im Kooperationszentrum Frankfurt (Oder)-Słubice

Auch Anetas Szczesniewicz‘ Wunschvorstellung der Doppelstadt ist eine, in der es vorrangig um Inhalte geht und alle finanziellen und sprachlichen Hürden auf ein Mindestmaß reduziert sind. „Vielleicht ist das etwas idealistisch, aber ein Traum von uns allen ist, dass wir uns in der Doppelstadt wirklich so fühlen, als ob man beim Überqueren der Oder nur von einem Stadtviertel zum anderen rüberfährt.“ Alle drei Kolleg*innen im Bildungsbüro sind sich einig, dass die Stärkung von Kultureller Bildung zu mehr grenzüberschreitender Offenheit, Toleranz und Empathie führen wird und die Menschen ihre Berührungsängste noch weiter ablegen. Sie erhoffen sich damit auch, Konflikten im Zusammenhang mit antidemokratischen Strömungen in der Region entgegenzuwirken. Sören Bollmann glaubt, dass die Doppelstadt in Zukunft noch attraktiver wird. „Wenn es uns gelingt, noch ein paar Barrieren aus dem Weg zu räumen, werden mehr, auch junge Menschen und Familien kommen und hier etwas dazu beitragen, dass diese Städte wie ein liebenswertes kleines internationales Europa werden“, stellt er sich vor.

Zitiervorschlag

BKJ: Bildungsbrücken bauen: Die Doppelstadt Frankfurt (Oder)–Słubice gestaltet grenzüberschreitendes Miteinander
https://www.bkj.de/ganztagsbildung/wissensbasis/beitrag/bildungsbruecken-bauen-die-doppelstadt-frankfurt-oder-slubice-gestaltet-grenzueberschreitendes-mite/
Remscheid und Berlin, .

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